Lindau-Klasse

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FRG Naval Ensign
Minensucher Weilheim freigestellt.JPG
Geschichte
Schiffsklasse: Klassen 320,
331 und 351
Typschiff: M1072 Lindau
Bauwerften: Burmester Werft, Bremen-Burg
Indienststellung: 1958 bis 1960
Außerdienststellungen: 1991 bis 2000
Daten[1]
Konstruktionsverdrängung:

Einsatzverdrängung:

370 t

bis 465 t

Länge: 47,1 m
Breite: 8,3 m
Tiefgang: 3 m
Maschinenanlage: 2.940 kW (4.000 PS)
2 Wellen mit
2 Verstellpropeller
5 E-Diesel MWM 518Dn/5
Gleichstromgeneratoren, ges. 440 kW
Geschwindigkeit: 16,5 kn
Besatzung: Klasse 320: 46
Klasse 331: 43
Klasse 351: 44
M1077 Weilheim frontal.jpg
Kran, Winden und Teile des Räumgeschirrs auf dem Achterdeck
Weilheim achtern.jpg
Ulm (Klasse 351) und Minden (Klasse 331) in der Nordsee (1996)

Die 18 Boote der Lindau-Klasse (Klasse 320) wurden ursprünglich als Küstenminensuchboote 55 auf der Burmester Werft in Bremen-Burg gefertigt und zwischen 1958 und 1960 in Dienst gestellt. Sie wurden später zu Minenjagdbooten der Klasse 331, die aus zwei Unterklassen bestand, und zu Hohlstablenkbooten der Klasse 351 umgebaut.

 

 

Geschichte

Küsten-Minensuchboote (Klasse 320)

Die Lindau-Klasse war die deutsche Ausführung der zum NATO-Einheitstyp gemachten und von verschiedenen Nato-Mitgliedsstaaten adaptierten US-amerikanischen Bluebird-Klasse. Als Nachbau dieses Typs wurden 6 Boote 1959-60 in Frankreich als Typ Mercure für die deutsche Bundesmarine (Vegesack-Klasse) gebaut[2].
Die Lindau-Klasse wurde dagegen leicht verändert, erhielt z. B. zur Verbesserung der Stabilität einen niedrigeren Brückenaufbau und bewährte sich als sehr robuste und vielseitige Bootsklasse. So wurden beide Versionen (Minenjagdboot und Hohlstablenkboot, s.u.) erfolgreich während der Operation Südflanke im Persischen Golf eingesetzt. Die Boote wurden im Laufe der Zeit mehrfach umgerüstet und neu klassifiziert. Im Zeitraum von 1991 und 2000 erfolgten schließlich die Außerdienststellungen. [3]

Minenjagdboote (Klasse 331)

Zwischen 1970 und 1979 wurden zwölf der Boote zu Minenjagdbooten umgebaut, zunächst zwei zur Unterklasse 331A und Mitte des Jahrzehnts die übrigen 10 zur Unterklasse 331B. Hierzu gehörten ein Minenjagdsonar und je zwei ferngelenkte Minenjagddrohnen PAP 104, sowie der hochpräzisen Navigationsanlage SYLEDIS ausgerüstet. Die Aufgaben der Klasse 331 wurden nach deren Außerdienststellung durch die Schiffe der Kulmbach-Klasse (Klasse 333) übernommen.

Hohlstab-Lenkboote (Klasse 351)

1989 wurden die restlichen sechs Boote mit dem TROIKA-System zum Lenken von Hohlstabbooten vom Typ „Seehund“ ausgestattet und dann als Klasse 351 bezeichnet. Die Boote der Klasse 351 wurden durch Boote der Ensdorf-Klasse abgelöst. [4][5][6]

Außerdienststellung und Verbleib

Die meisten der Boote gingen in den Dienst befreundeter Staaten, zwei sind in Deutschland erhalten geblieben, Details siehe weiter unten im Abschnitt zu den einzelnen Booten.

Technik

Da Minensuchboote ein möglichst kleines Magnetfeld erzeugen sollen, waren sie aus Holz gebaut. Oberhalb der Wasserlinie waren 3 Schichten mit Zwischenisolierung miteinander verleimt. Die erste und dritte Schicht aus Mahagoni waren parallel zum Kiel ausgerichtet, die mittlere Schicht aus Teak diagonal. Unterhalb der Wasserlinie war noch eine vierte Schicht aus Eiche angebracht. Das Spantengerüst bestand aus 118 Quer-, 2 Längs- und 20 Konstruktionsspanten aus Holz, Spantenabstand 0,38 m. Für Auf- und Einbauten wurde hauptsächlich amagnetisches Material verbaut.[1]

Antrieb

Der Antrieb bestand aus zwei Mercedes-Maybach MD 871 16-Zyl V-Motoren mit je 2.000 PS, die zwei dreiflügelige Escher-Wyss Verstellpropeller antrieben.

In den Minensuchbooten waren fünf MWM 3-Zylinder Diesel (Typ 518Dn/5) mit 220V Gleichstromgeneratoren eingebaut. Vier von ihnen standen im E-Werk, der fünfte im Maschinenraum. Bei den zu Minenjagdbooten der Klasse 331A umgebauten Einheiten, die über zwei zusätzliche Schottelpropeller verfügten, wurden zwei E-Diesel ausgebaut und ein Maybach V-8 Dieselmotor mit 900 PS für den Schottelantrieb eingebaut. Bei der Klasse 331B wurde später auf Schottelpropeller verzichtet.

Kraftstoffbunker 42 m³, beziehungsweise 28 m³ nach Umbau. Reichweite bei 14 kn 900 sm.[1]

Bewaffnung

  • 1x 40 mm Bofors Flak zunächst Typ 58, später HS 99 KWS /OGR 7
  • 4 Wasserbombenhalterungen
  • Minenlegeausstattung
  • Bb und Stb Stinger 2 Fliegerfauststand auf dem B-Deck, und mit 4 Fliegerfaustladen auf der Back
  • MVL (Minenvernichtungsladung) 30 Stk

Minenräumgeschirr

Räumgeschirr mechanisch

  • 3 Drahtseile
  • 1 Tiefendrachen
  • 2 Scheerdrachen, ein Reservedrachen
  • 4 Große Schwimmer
  • ein Schwimmer Null
  • 4 Schweinchen (kleine Schwimmer)
  • mechanische und Sprenggreifer
  • Verblockungswerfer
  • Bojen

Räumgeschirr elektrisch

  • großes Schleifenkabel

Räumgeschirr akustisch

  • 2 Geräuschbojen mechanisch
  • 1 Geräuschboje elektrisch

[7] [4]

Einheiten

DeutschlandDeutschland (Seekriegsflagge) Deutschland

Die Boote erhielten die Namen von deutschen Städten. Während ihrer gesamten Dienstzeit waren sie in der Nordsee stationiert. Als Küstenminensucher gehörten sie zum 4. Minensuchgeschwader (4. MSG) mit Heimathafen Wilhelmshaven und zum 6. Minensuchgeschwader (6. MSG) und 8. Minensuchgeschwader (8. MSG) in Cuxhaven.

Nach ihrem Umbau bildeten die Minenjagdboote das 4. MSG, die Hohlstablenkboote das 6. MSG. Beide Geschwader, die Ende 1970er und Anfang der 1980er einige Jahre zum Minenabwehrgeschwader Nordsee verschmolzen waren, waren in Wilhelmshaven stationiert. Nach Außerdienststellung der ersten MJ-Boote wurde das 4. MSG aufgelöst und die verbliebenen Minenjäger gehörten in ihren letzten Jahren unter deutscher Flagge ebenfalls zum 6. MSG.

Klasse Kennung Name Dienstzeit vor Umbau Umbau zu
Klasse
Dienstzeit nach Umbau Verbleib
320/01 M 1072 Lindau 24. April 1958 – 28. April 1975 331/03B 10. Februar 1978 – 19. Oktober 2000 EstlandEstland (Seekriegsflagge) Estland als Sulev (M 312)
320/02 M 1070 Göttingen 31. Mai 1958 – 14. Juni 1976 331/08B 19. Januar 1979 – 11. September 1997 LettlandLettland Lettland als Ersatzteillager
320/03 M 1071 Koblenz 8. Juli 1958 – 12. Dezember 1975 331/06B 21. Juni 1978 – 22. Juni 1999 LitauenLitauen Litauen als Suduvis (M 52)
320/04 M 1075 Wetzlar 20. August 1958 – 30. April 1976 331/07B 6. Oktober 1978 – 30. Juni 1995 VEBEG
320/05 M 1074 Tübingen 25. September 1958 – 30. Mai 1975 331/04B 20. März 1978 – 26. Juni 1997 VEBEG (2011 Privatyacht)
320/06 M 1073 Schleswig 30. Oktober 1958 – 1. Februar 1979 351/01 19. März 1981 – 29. September 2000 Naval Ensign of South Africa.svg Südafrika als Tshwane (M 1221)
320/07 M 1076 Paderborn 16. Dezember 1958 – 31. August 1979 351/04 17. September 1981 – 30. Juni 2000 Naval Ensign of South Africa.svg Südafrika als Mangaung (M 1222)
320/08 M 1077 Weilheim 28. Januar 1959 – 30. Juli 1976 331/09B 13. Juli 1978 – 30. Juni 1995 Deutsches Marinemuseum
320/09 M 1078 Cuxhaven 11. März 1959 – 29. Oktober 1976 331/11B 6. Juni 1979 – 8. Februar 2000 EstlandEstland (Seekriegsflagge) Estland als Wambola (M 311)
320/10 M 1079 Düren 22. April 1959 – 20. Dezember 1979 351/05 7. November 1983 – 29. September 2000 Naval Ensign of South Africa.svg Südafrika als Kapa (M 1223)
320/11 M 1080 Marburg 11. Juni 1959 – 22. Dezember 1976 331/12B 28. Juni 1979 – 25. Mai 2000 LitauenLitauen Litauen als Kursis (M 51)
320/12 M 1081 Konstanz 23. Juli 1959 – 25. April 1980 351/06 28. Mai 1982 – 29. September 2000 Am 1. Nov. 2007 versenkt
320/13 M 1082 Wolfsburg 8. Oktober 1959 – 27. April 1979 351/03 4. März 1982 – 29. September 2000 Naval Ensign of South Africa.svg Südafrika als Tekwini (M 1225)
320/14 M 1083 Ulm 7. November 1959 – 28. Juli 1978 351/01 11. November 1981 – 21. September 1999 Naval Ensign of South Africa.svg Südafrika als Ersatzteillager
320/15 M 1084 Flensburg 3. Dezember 1959 – 25. März 1970 331/02A 12. September 1972 – 26. Juni 1991 Jugendheim in Duisburg-Ruhrort
320/16 M 1085 Minden 22. Januar 1960 – 29. August 1975 331/05B 31. Mai 1978 – 4. Dezember 1997 GeorgienGeorgien (Seekriegsflagge) Georgien als Ayeti (P 22)
320/17 M 1086 Fulda 5. März 1960 - keine Außerdienststellung[8] 331/01A keine Wiederindienststellung - 26. März 1992 VEBEG
320/18 M 1087 Völklingen 21. Mai 1960 – 20. August 1976 331/10B 15. Mai 1979 – 24. März 1999 LettlandLettland Lettland als Nemejs (M 03)

EstlandEstland (Seekriegsflagge) Estland

Estland übernahm zwei der Boote der Klasse 331B mit der kompletten Minenjagdausrüstung inklusive der PAP104 Drohnen und betrieb sie ebenfalls als Minenjäger. Sie waren in Tallinn stationiert.

Kennung Name Indienststellung Außerdienststellung Verbleib
M 311 Wambola 23. März 2000 26. März 2009  
M 312 Sulev 29. September 2000 26. März 2009  

GeorgienGeorgien (Seekriegsflagge) Georgien

Georgien übernahm ein Boot der Klasse 331B, die ehemalige Minden, und ließ es in Deutschland zum Patrouillenboot für die Küstenwache umbauen, unter anderem mit einem Suchradar des Typs Atlas Elektronik TRS (I-Band). Sie wurde am 15. November 1998 als Ayety (P 22) in Dienst gestellt. Am 13. August 2008, während des Kaukasus-Konfliktes wurde das Schiff in den militärischen Teil des Hafens von Poti geschleppt und dort von russischen Soldaten durch eine Sprengung versenkt. [9]

LettlandLettland Lettland

Lettland übernahm wie Estland zwei Boote der Klasse 331B mit der kompletten Minenjagdausrüstung inklusive der PAP104 Drohnen, betrieb jedoch lediglich ein Boot, die ehemalige Völklingen. Sie war als Nemejs (M 03) in Libau (Liepāja) stationiert und wurde inzwischen außer Dienst gestellt. Die ebenfalls übernommene Göttingen diente lediglich als Ersatzteilspender.

LitauenLitauen Litauen

Suduvis (2007)

Litauen übernahm wie die baltischen Nachbarn zwei Boote mit der kompletten Minenjagdausrüstung inklusive der PAP104 Drohnen und betreibt sie ebenfalls als Minenjäger. Sie sind in Memel (Klaipėda) stationiert.

Kennung Name Indienststellung Außerdienststellung Verbleib
M 51 Kursis November 2000   aktiv
M 52 Suduvis Juni 1999   aktiv

Naval Ensign of South Africa.svg Südafrika

Südafrika übernahm alle sechs Boote der Klasse 351, die als City-Klasse bezeichnet wurden. Der Vertrag zum Erwerb der Boote wurde am 10. November 2000 geschlossen. Vier Boote wurden Bestandteil der Flotte, wobei zwei davon lediglich zur Reserveflotte gehörten. Der Heimathafen war Simon’s Town. Die ehemaligen Ulm und Konstanz dienten lediglich als Ersatzteilspender. Letztere kam beim Manöver Red Lion am 1. November 2007 als Übungsziel für Fregatten zum Einsatz und wurde durch Exocet MM40 Seezielflugkörper versenkt.

Kennung Name Indienststellung Außerdienststellung Verbleib
M 1221 Tshwane     Reserve
M 1222 Mangaung     Reserve
M 1223 Kapa 5. September 2001   aktiv
M 1225 Tekwini 5. September 2001   aktiv

Naval Ensign of Italy.svg Italien

Der Verbleib der Tübingen stellt eine Ausnahme dar: Sie wurde 1997 an einen italienischen Privateigner verkauft, der sie zu einer Motorjacht umbaute. Die Schiffsuhr gelangte durch die Schenkung von Erich Stahn aus Schwebheim in den Besitz des Tübinger Stadtmuseums. Von der intensiv gepflegten Tübinger Patenschaft zeugt noch ein Modell der Tübingen im Anbau des Tübinger Rathauses im ersten Obergeschoss.